Die bogenförmige Perspektive
Das Vertikalpanorama ist eine ureigene Umsetzung räumlicher Gegebenheit in ein zweidimensionales Format. Die Publikation der Autoren André Barre und Albert Flocon ›la perspective curviligne – de l’espace visuel à l’image construite‹, Paris 1968, behandelt die Perspektive in engen oder eng gedachten Räumen. In diesen versagen die Gesetze der Zentralperspektive und der Zweipunktperspektive, die Lebewesen oder Gegenstände am Rand verzerren, also unnatürlich proportioniert wiedergeben (diese Beeinträchtigung tritt in der Fotografie ebenfalls bei sehr kurzen Brennweiten störend in Erscheinung). Künstler verlassen in solchen Fällen die geometrischen Vorgaben und korrigieren unmerklich. Diese Möglichkeit der Korrektur stehen Fotografierenden nicht unmittelbar zur Verfügung.
Das Vertikalpanorama ist eine ureigene Umsetzung räumlicher Gegebenheit in ein zweidimensionales Format. Die Publikation der Autoren André Barre und Albert Flocon ›la perspective curviligne – de l’espace visuel à l’image construite‹, Paris 1968, behandelt die Perspektive in engen oder eng gedachten Räumen. In diesen versagen die Gesetze der Zentralperspektive und der Zweipunktperspektive, die Lebewesen oder Gegenstände am Rand verzerren, also unnatürlich proportioniert wiedergeben (diese Beeinträchtigung tritt in der Fotografie ebenfalls bei sehr kurzen Brennweiten störend in Erscheinung). Künstler verlassen in solchen Fällen die geometrischen Vorgaben und korrigieren unmerklich. Diese Möglichkeit der Korrektur stehen Fotografierenden nicht unmittelbar zur Verfügung.
Im Vertikalpanorama sind zwei Fluchtpunkte auszumachen. Der eine liegt auf der waagrechten Achse der Kamera, der zweite auf der senkrechten. Die Wiedergabe der Linien in der Ebene folgt den Erkenntnissen der Zentralperspektive, während die vertikalen Linien eines Bauwerks zum vertikalen Fluchtpunkt streben. Um sich in einem Punkt treffen zu können, müssen sich die real senkrechten Linien im zweidimensionalen Abbild verbiegen um sich in einem Punkt zu treffen. Während die senkrechten Linien in unserem Hirn als Geraden empfunden werden, formulieren sie in der zweidimensionalen Reproduktion Bögen.
Eine profunde Einführung in die Welt des Panoramas vermittelte der Leiter der Museen des Märkischen Kreises, Stephan Sensen: ›Der panoramatische Blick‹ in: Bazon Brock (Hg.): Himmel und Erde – Jürg Steiners Vertikalpanoramen sakraler Innenräume, Weimar 2010*. Sensen geht in seinem fundierten Abriss zum Panorama auch auf die Vertikalpanoramen ein: ›Unsere Wahrnehmung der Innenarchitektur von Kirchen, insbesondere das Erkennen des Zusammenspiels der Wände, Stützen und Gewölbe und die Führung des Lichts, wird durch die Ausmaße der Innenräume und ihre himmelwärts strebende Ausrichtung erschwert. Steiners senkrechte Panoramen, die einen vertikalen Blickwinkel von bis zu 180° umfassen, erlauben dem Betrachter erstmals, die komplexen Zusammenhänge simultan zu erfassen. Diese Vertikalpanoramen bieten überraschende Einsichten und regen eine neue und bewusstere Wahrnehmung der abendländischen Sakralarchitektur an.‹
Die baulichen Eigenheiten sakraler Innenräume begünstigten die Entwicklung des Vertikalpanoramas, galt es doch die materiellen und immateriellen Elemente in einem gemeinsamen Bild zu vereinigen. Im realen Raum nimmt das menschliche Auge diese Teileindrücke simultan wahr. Mit den Augen, auch unterstützt durch Kopfbewegung, werden die Schwerpunkte der Betrachtung gleichsam automatisch fokussiert. Im Gegensatz dazu setzen sich im Vertikalpanorama alle Bestandteile in ein neues Verhältnis – ein eigenes Bildmedium ist so 2006 entstanden. Alle Vertikalpanoramen sind im vorgefunden Licht aufgenommen worden. Manchmal stört die künstliche Beleuchtung, das natürliche Licht ist immer ein Segen.
Die Folge ist eine neue Ästhetik, deren Ziel nicht die messbildliche Wiedergabe sein kann. Es entsteht eine künstlerische Komposition, die zu individueller Interpretation anregt.
* Das Buch ist vergriffen, ein komprimiertes PDF ist hier zu finden:
Die baulichen Eigenheiten sakraler Innenräume begünstigten die Entwicklung des Vertikalpanoramas, galt es doch die materiellen und immateriellen Elemente in einem gemeinsamen Bild zu vereinigen. Im realen Raum nimmt das menschliche Auge diese Teileindrücke simultan wahr. Mit den Augen, auch unterstützt durch Kopfbewegung, werden die Schwerpunkte der Betrachtung gleichsam automatisch fokussiert. Im Gegensatz dazu setzen sich im Vertikalpanorama alle Bestandteile in ein neues Verhältnis – ein eigenes Bildmedium ist so 2006 entstanden. Alle Vertikalpanoramen sind im vorgefunden Licht aufgenommen worden. Manchmal stört die künstliche Beleuchtung, das natürliche Licht ist immer ein Segen.
Die Folge ist eine neue Ästhetik, deren Ziel nicht die messbildliche Wiedergabe sein kann. Es entsteht eine künstlerische Komposition, die zu individueller Interpretation anregt.
* Das Buch ist vergriffen, ein komprimiertes PDF ist hier zu finden:
Link:
Beispiele von Vertikalpanoramen in der Bildenden Kunst
Ölbild auf Leinwand gesehen in der Ausstellung ›Barock‹ im Landesmuseum Zürich am 26. November 2022
Bildunterschrift:
›Illusionistisches Deckengemälde
Neben der Ausmalung der Stiftskirche St. Gallen ist Joseph Wannenmacher (1722–1780) für Konzeption und Ausführung der Decke der Stiftsbibliothek zuständig. Durch seine Malereien wird die Decke zur Erweiterung des realen Raums.‹
Zwei Deckenbilder aus der Stiftsbibliothek St. Gallen, gesehen am 18. März 2023
Diesen Deckenbilder ist eine ähnliche Bildauffassung wie bei unseren Vertikalpanoramen zu eigen, wobei Joseph Wannenmacher die vertikalen Linien in linearer Perspektive konstruiert und den Brennpunkt zu den himmlischen Heerscharen rückt.